Aus Krisen lernen

gelangweilter Junge am Laptop

Schule in Coronazeiten

Krisen. Jeder Mensch hat sie und muss lernen damit umzugehen. Und wie genau gehen wir um, mit ihnen? Zuerst versuchen wir die Situation mit möglichst geringem Schaden zu überstehen. Wenn es brennt, macht es schließlich wahrlich wenig Sinn, irgendetwas anderes zu tun als sich vor der Gefahr zu retten. Zum Beispiel in dem man das Haus verlässt und die Feuerwehr alarmiert. Der zweite Schritt besteht dann darin, die entstandenen Probleme wieder zu beseitigen. Das Haus zu renovieren, neue Möbel besorgen, umziehen, etc. Und dann, wird analysiert. Wie bin ich in die Situation hineingeraten? Habe ich eine Kerze unbeobachtet stehen lassen? Oder vergessen den Gasherd auszumachen und dazu das Küchenfenster gekippt gehabt? Der letzte Schritt besteht dann aus Prävention. Keine Kerzen mehr herumstehen lassen, vielleicht ganz auf sie zu verzichten, oder eine Laterne kaufen, die die Flammen im Inneren hält und alles Brennbare außen.

An dem Feuerbeispiel wird deutlich: Kein Mensch würde nach einem Brand erneut mit unvorsichtigem Handeln einen zweiten riskieren.

Die Coronapandemie wird häufig auch als Krise bezeichnet. Wir leben nun seit zwei Jahren mit dem Virus. Wir haben die Situation also erstmal mit dem geringstmöglichen Schaden überstanden, könnte man sagen. Doch setzt sich irgendjemand daran etwas zu ändern, um einer solchen Krise zukünftig zu entgehen? Mir ist noch kein Versuch bekannt, dabei wissen wir ganz genau, wie es zu dem Problem kam und wie wir es zukünftig verhindern könnten.

Auch im Bildungssystem hat Corona für viel Trubel gesorgt. Ungefähr acht Wochen waren die Schulen während des Lockdowns geschlossen. Dass dieses Eingreifen in den Alltag unserer jüngsten Generation nicht unbemerkt bleiben würde, war erwartbar. Nun zeigen einzelne Studien, dass während des Homeschoolings die meisten Schüler*innen deutlich weniger lernten als in einem regulären Jahr. Durchschnittlich fehlt ihnen soviel Stoff, wie sie unter normalen Umständen in einem Viertel Schuljahr erlernt hätten. Dabei ist zu beachten, dass die Schere sehr weit auseinander geht. Gute Schüler*innen, die durchgehend einen Zugang zu Internet und entsprechenden Endgeräten hatten, haben nur wenige bis gar keine Leistungsdefizite. Kinder die sozial und ökonomisch benachteiligt sind dafür umso mehr.

Bereits vor Corona war diese Differenz deutlich sichtbar. Von 2000 bis 2013 gab es einen Anstieg der Nachfrage für Nachhilfe um 75%. Das heißt viele Schüler*innen brauchen außerschulische Unterstützung, um den Schulalltag zu meistern. Dieser Anstieg grenzt Schüler*innen aus sozial schlechter gestellten Familien noch stärker von anderen gleichaltrigen ab, da sie von zu Hause oft weniger schulische Unterstützung erfahren und sich keine zusätzlichen Stunden leisten können. Wir können in den letzten beiden Jahrzehnten also eine wachsende Ungleichheit unter den Schüler*innen auf Grund ihrer sozioökonomischen Schicht wahrnehmen. Was durch die Pandemie nun noch deutlicher wurde.

Es geht aber auch anders. In einer österreichischen Studie zeigte sich, dass Kinder, die vor und während des Homeschoolings nach dem Konzept des Cooperativen und offenen Lernens (COOL) unterrichtet wurden, weniger Schwierigkeiten in Bezug auf das Lernen während der Pandemie hatten.

Beim COOL Unterricht erarbeiten die Schüler*innen ihre Aufgaben eigenständig. Abgabetermine und Lehrkräfte die begleitend statt lehrend unterstüzen, geben dabei die nötigen Rahmenbedingung, um am Ball zu bleiben.Das heißt als die Schulen schließen mussten, hatten die Schüler*innen bereits gelernt eigenständig zu arbeiten. Genauer lagen die Vorteile unter anderem an dem höheren Feedback, den klareren Strukturen und der insgesamt höher wahrgenommenen Lehrer*innenkompetenz, die zu dem von den Schüler*innen selbst höher eingeschätzten Lernerfolg führten. Außerdem erfahren die Lernenden mehr Eigenverantwortung als Schüler*innen an regulären Schulen. Beim Bearbeiten der Aufgaben lernen sie mithilfe von speziell auf selbstgesteuertes Lernen geschulten Lehrkräften, und speziellen selbstorganisatorischen Methoden, selbstständig zu arbeiten. Diese Fähigkeiten halfen den Lernenden dementsprechend durch die Pandemie, da sie es bereits gewohnt waren eigenständig zu arbeiten und die Lehrkraft mehr als Coach zu sehen und weniger als die Person, die alles vorgibt.

Die Schüler*innen, die gelernt haben selbstständig zu arbeiten, eigene Entscheidungen zu treffen und sich gewisse Themen zu erarbeiten kamen mit dem „Eigenstudium“ vor dem Bildschirm besser klar als Schüler*innen die gelernt haben, dass der Bildungsplan alle Entscheidungen für sie übernimmt und die Lehrkraft für den Lernerfolg zuständig ist.

Hier stellt sich nun die Frage, warum sich in unserem Schulkonzept denn nichts ändert? Später im Berufsleben wird es zu einer ähnlichen Situation kommen. Die Berufseinsteiger werden sich mit Problemen auseinandersetzen müssen und versuchen diese zu lösen, ohne dass eine Lehrkraft ihnen beiseite steht. Ist es also nicht an der Zeit, dass wir unseren Schülern und Schülerinnen beibringen eigenständig zurecht zu kommen?

Quellen:
Helm C. & Lenz S.(2021). JKU-Bildungsbarometer #3. Schulen im Lockdown. Bericht zu direkten und indirekten Auswirkungen von offenem Unterricht während der Pandemie. Linz: Johannes Kepler Universität, School of Education
Fickermann, Detlef [Hrsg.]; Edelstein, Benjamin [Hrsg.]; Gerick, Julia [Hrsg.]; Racherbäumer, Kathrin [Hrsg.]: Schule und Schulpolitik während der Corona-Pandemie. Nichts gelernt? Münster ; New York : Waxmann 2021, 175 S. - (Die Deutsche Schule, Beiheft; 18) - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-238694 - DOI: 10.25656/01:23869
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