Alternative Schule

ein Gastbeitrag von Johanna Meßner
Prinzipien der Pädagogischen Psychologie in der Montessori Pädagogik
Wusstest du, dass es weltweit mehr als 25.000 Einrichtungen gibt, welche sich nach den Prinzipien der Ärztin und Pädagogin Maria Montessori richten?
Die Zahl verdreifacht sich fast, wenn die zahlreichen Kindergärten in China auch mitgezählt werden. In Deutschland sind es mehr als 300 Schulen, die strikt nach den Montessori Prinzipien unterrichten. Zudem gibt es zahlreiche weitere Lehrkräfte und Pädagogen in staatlichen Schulen und Kindergärten, die ebenfalls Aspekte aus dem Konzept der Montessori Pädagogik übernehmen (Ludwig, 2018). Ich selbst habe zu meiner Schulzeit keine Montessori-Schule besucht und trotzdem kommen auch mir ein paar der Gesichtspunkte sehr bekannt vor. So habe ich mich gefragt, ob die Pädagogik einer italienischen Ärztin auch mit den Prinzipien der pädagogischen Psychologie übereinstimmen. Um einen groben Überblick zu geben, folgen nun die wichtigsten Prinzipien von Maria Montessori. Außerdem stelle ich einen Bezug zu den Theorien der pädagogischen Psychologie her.
Das erste wichtige Prinzip sehe ich in den Montessori Materialien. Im Gegensatz zu „normalen“ Unterrichtsmaterialien sind diese so gestaltet, dass Kinder sich gern mit ihnen beschäftigen sollen. Die Lernenden sollen intuitiv begreifen, was zu tun ist und ebenfalls in der Lage sein Fehler selbstständig zu erkennen und anschließend selbst korrigieren (Meisterjahn-Knebel, 2018). Hier wird nicht nur das Interesse der Kinder gefördert, Lernende sollen das Gefühl eines Flow-Erlebnisses haben und das positive Scheitern und das damit einhergehende selbstständige Problemlösen steigern den Lerneffekt (Deci & Ryan, 1993).
Darüber hinaus spricht Montessori von Übungen des praktischen Lebens. Hier geht es vorrangig um die Selbstständigkeit. Kinder sollen die Chance erhalten sich selbst anzuziehen, das Vesperbrot selbst zu richten und ihre Beziehungen zu pflegen. Dieses Prinzip geht Hand in Hand mit dem berühmten Statz: Hilf mir es selbst zu tun. Kinder sollen animiert und angeleitet werden, Aufgaben und Probleme mit Hilfe ihres Könnens und Wissens selbst zu lösen. Erwachsene sollen nur eingreifen, wenn der Entwicklungsprozess stagniert (Ludwig, 2018). Nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder wird gestärkt. Ebenfalls wird die Eigenständigkeit und das schulische Selbstkonzept gefördert (Möller & Trautwein, 2015). Obendrein führt das autonome Handeln in Kombination mit der Kompetenzentfaltung zu einer hohen intrinsischen Motivation (Deci & Ryan, 1993).
Des Weiteren ist es ein Anliegen Montessoris, die Kinder selbst entscheiden zu lassen, womit sie sich beschäftigen wollen. Das bezieht sich nicht nur auf den Maltisch im Kindergarten, sondern auch auf die Fächer und Aufgaben im Schulunterricht. In einer Montessori-Schule ist die meiste Zeit des Unterrichts Freiarbeit. Jedes Kind geht seinem Interesse, in seinem Tempo nach. Das hat ein ruhiges Klassenklima zur Folge und ergänzend können gemischte Altersgruppen in einem Klassenraum lernen. (Ludwig, 2018) Die Individuellen Lernpläne und frei zugänglichen Materialien stärken die selbstregulatorischen Fähigkeiten der Schüler*innen. Die Motivation zum Lernen kann durch Selbstbestimmung aufrechterhalten werden. Im selben Zug wird diese Motivation nicht durch eine Belohnung oder Strafe forciert, sondern die Aufgaben werden erledigt, aus Freude am Ausführen und Lernen (Landmann et al., 2015) (Deci & Ryan, 1993).
Alle diese Prinzipien sollen nicht nur die Freude am Lernen steigern, ebenso die Motivation und die Eigeninitiative, mit dem höheren Ziel die Leistung zu steigern. Trotzdem können nicht alle Kinder sich gleich schnell in das System der Montessori-Schule einfinden. Selbstvertrauen, Eigenmotivation und Zielstrebigkeit sind Eigenschaften, welche die Kinder mitbringen sollten. Aber auch der Übertritt in eine „Regelschule“ kann zu Schwierigkeiten führen. Eine Eingewöhnung ist für die Lernenden nicht einfach, da sowohl die Noten in der Montessori-Schule keine große Rolle spielen und die Lehrer mehr die Rolle eines Coachs oder Begleiters übernehmen (Meisterjahn-Knebel, 2018).
Ein weiterer Aspekt, der sich mit der pädagogischen Psychologie deckt, ist die Auffassung des lebenslangen Lernens. Die Universität soll nicht zur Kontrolle der Studierenden dienen. Die Möglichkeit eines freien, produktiven und selbstbestimmten Studiums soll verwirklicht werden. Montessoris Gedanken zu einer neuen Art der Universität sind allerdings sehr unspezifisch und allgemein, weshalb noch keine solche Universität existiert (Meisterjahn-Knebel, 2018).
Die Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung sind in diesem Feld eher unscharf. Es gibt Studien, welche signifikante Unterschiede zwischen den Leistungen der Montessori-Schüler*innen und den Schüler*innen von „Regelschulen“ feststellen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um mathematische Kompetenzen wie Geometrie und Sachrechnen. Besonders auffällig sind vor allem die Leistungsvorteile für Schüler*innen mit ungünstigen Leistungsbedingungen, da es sich um eine integrative Schulform handelt. Die festgestellten Leistungsunterschiede verschwinden oft über die Jahre der Grundschule oder sind gar nicht erst klar feststellbar. In den Bereichen fachübergreifendes Lernen, Problemlösekompetenz und Kreativität schneiden die Montessori-Schüler*innen besonders gut ab. Höhere sozialkognitive Fähigkeiten, positive Antworten in Dilemma Situationen, signifikant bessere Problemlösefähigkeiten und höchste Kreativitätswerte, sowie mehr Flow und Energie sind nur einige Beispiele, die deutlich aufzeigen, dass das Pädagogische Konzept von Maria Montessori Effekte zeigt. Allen voran, weil Studien auch keine negativen Auswirkungen zeigen, die deutlich machen, dass Montessori-Schüler*innen den „Regelschüler*innen“ Leistungstechnisch hinterher sind (Gruehn & Koinzer, 2018).
Auch wenn Leistungstechnisch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Montessori-Schüler*innen und den „Regelschüler*innen“ feststellbar sind, zeigen die Studien eine positive Auswirkung des Konzeptes auf. Das Ziel Montessoris, die Kinder früh in natürliche Gesetzmäßigkeiten und globale Zusammenhänge einzugliedern wird so erreicht. Die sozialkognitiven Fähigkeiten, die Problemlösestrategien und Kreativität lassen die Reflektion des Tuns und ein verantwortungsvolles Handeln zu, ebenso wie die Lernenden so ihren Platz in der Gesellschaft finden (Ludwig, 2018).
Quellen:
Gruehn, S. & Koinzer, T. (2018). Empirische Forschung zu Montessori-Schulen. In Barz, H. (Eds.) Handbuch Bildungsreform und Reformpädagogik (pp. 335- 343). Springer VS, Wiesbaden.
Landmann, M., Perels, F., Otto, B., Schnick-Vollmer, K., & Schmitz, B. (2015). Selbstregulation und selbstreguliertes Lernen. In E. Wild & J. Möller (Eds.) Pädagogische Psychologie (pp. 45-65). Springer: Berlin.
Lugwig, H. (2018). Maria Montessoris pädagogischer Reformimpuls. In Barz, H. (Eds.) Handbuch Bildungsreform und Reformpädagogik (pp. 179-190). Springer VS, Wiesbaden.
Meisterjahn-Knebel, G. (2018). Montessori-Pädagogik. In Barz, H. (Eds.) Handbuch Bildungsreform und Reformpädagogik (pp. 273-285). Springer VS, Wiesbaden.
Möller, J. & Trautwein, U. (2015). Selbstkonzept. In E. Wild & J. Möller (Eds.) Pädagogische Psychologie (pp. 177-199). Heidelberg, Germany: Springer-Verlag.
Deci, E.L. & Ryan, R.M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 3, (pp. 223-238).